Interview
Im Gespräch
mit Dirk Thole, Geschäftsführer der Gesellschaft
Herr Thole: Welche Herausforderungen mussten die Stadtwerke Flensburg im Jahr 2023 bewältigen, und wie haben Sie diese gelöst?
Dirk Thole:
Die Herausforderungen im Energiemarkt waren sehr hoch und werden es auch bleiben. Neben den politischen und gesellschaftlichen Vorgaben mussten wir auch diesen Erwartungen, die an uns als Energiedienstleister gestellt werden, erfüllen.
In 2023 haben wir uns auf unser operatives Geschäft und die Prozesse fokussiert, erschwert durch die Energiekrise und die operative Umsetzung der damit verbundenen gesetzlichen Vorgaben. Langfristig halten wir an unserer Unternehmensstrategie fest und werden unseren Transformationsplan zur Klimaneutralität bis 2035 umsetzen.
Der Beschaffungsmarkt für Energie entspannt sich zwar etwas, aber ich glaube, dass uns die Folgen der Energiekrise und die unsichere Weltlage noch länger beschäftigen werden. Seit Herbst beobachten wir ein Sinken der Preise an den Energiebeschaffungsmärkten für Strom und Erdgas, die sich jetzt auf einem niedrigeren Niveau stabilisiert haben. Durch den Konflikt im Nahen Osten zogen die Preise aber wieder an. Das zeigt, wie unsicher und volatil die Beschaffungsmärkte sind und auf äußere Einflüsse reagieren. Es ist noch zu früh, zur Normalität zurückzukehren. Niemand weiß, wie sich die Weltlage ändert und welchen Einfluss das auf die Preise haben wird. Daher haben wir unsere Beschaffungspolitik angepasst und unseren Beschaffungsbereich neu
strukturiert. Viele Verbraucher haben die vollen Auswirkungen der krisenbedingt hohen Beschaffungspreise des letzten Jahres gerade erst zu spüren bekommen, da sie ihre Verbrauchsabrechnung erst zum Jahresbeginn erhalten haben. Maßnahmen der Regierung wie die Strom- und Wärmepreisbremsen waren wichtig, um diese abzudämpfen, aber sie konnten dies nicht komplett ausgleichen. Insbesondere weil die Preisbremsen aufgrund des Karlsruher Urteils bereits drei Monate früher ausliefen als geplant. Wir haben diesen Ausfall für unsere Kunden in der Region über ein einmaliges Entlastungspaket im zweistelligen Millionenbereich übernehmen können.
Die Energiekrise hat auch unser Agieren auf dem Markt strukturell und dauerhaft verändert. Jetzt arbeiten wir daran, im Strom- und Erdgasgeschäft wieder Kunden mit fairen, wettbewerbsfähigen Preisen zu gewinnen.
Die Digitalisierung und deren Implementierung nimmt dabei einen immer höheren Stellenwert ein. Wir können und wollen durch die Digitalisierung von Prozessen effizienter werden oder mit digitaler Unterstützung leichter mit unseren Kunden interagieren und neue Kundensegmente erreichen.
Wie würden Sie das Ergebnis der Stadtwerke Flensburg für das Jahr 2023 zusammenfassen?
Dirk Thole:
Die Stadtwerke Flensburg haben im Geschäftsjahr 2023 mit einem EBT von 160 Millionen Euro ein einmalig gutes Ergebnis erwirtschaftet. Dies basiert aus dem Geschäft außerhalb Flensburgs und an den Beschaffungsmärkten.
Auf Basis einer marktkonformen Beschaffungsstrategie wickeln wir langfristige Beschaffungs- und Verkaufsgeschäfte ab, die Risiken aus Schwankungen am Energiemarkt abfangen und zur Ergebnissicherung beitragen sollen. Hieraus
ergaben sich im Jahr 2023 einmalige Sondereffekte über das Ergebnis der normalen Geschäftstätigkeit hinaus.
Vor dem Hintergrund der Risikoentwicklung mussten die Stadtwerke Flensburg sich von einem Teil ihrer Erdgaskunden im deutschlandweiten Geschäft trennen. Hieraus ergaben sich freie Erdgasmengen, die im Geschäftsjahr 2023 zu ergebnisfördernden Verkaufserlösen beigetragen haben. Darüber hinaus resultierten aus dem geänderten Einsatzmix der Erzeugungsanlagen freie gesicherte Erdgasmengen, die am Markt gewinnbringend veräußert werden konnten.
Während im Jahr 2022 der Gesamtumsatz knapp unter der Milliardengrenze lag, konnten die Stadtwerke Flensburg im Geschäftsjahr 2023 mit einem Umsatz von 1,2 Milliarden Euro erstmals eine historische Schwelle überschreiten. Neben den Commodity-Verkaufsgeschäften hat das hohe Niveau der Endkundenpreise besonders im bundesweiten Strom- und Erdgasgeschäft dazu beigetragen, denn hohe Beschaffungspreise, Netzentgelte und Umlagen wurden an die Endkunden weitergegeben.
Mit dem guten Ergebnis außerhalb des eigenen Netzgebietes haben wir etwas für unsere Fernwärmekunden getan. Wir haben ihnen eine Gutschrift auf den Grundpreis im Gesamtvolumen von 16 Millionen Euro für das Jahr 2023 ausgezahlt und damit den Wegfall der Bundespreisbremse komplett ausgeglichen.
Von dem ausschüttungsfähigen Ergebnis von 108 Millionen Euro gehen 18 Millionen Euro an die Stadt Flensburg. 90 Millionen Euro werden bei den Stadtwerken Flensburg thesauriert, als Basis für eine bessere Eigenkapitalausstattung zur Sicherung künftiger Geschäfte.
Gab es im vergangenen Jahr Veränderungen in der Strategie der Stadtwerke Flensburg?
Dirk Thole:
Nein. Wir sind mit unserer Strategie „SWFL 21.x: Kurs grün + digital“ gut aufgestellt. Die drei Säulen – Kunde, Dekarbonisierung und Digitalisierung – sind das Herzstück unserer Strategie und bleiben es auch.
Im Rahmen der operativen Ausgestaltung der Strategie in unseren Geschäftsbereichen soll jeder Kollege im Unternehmen nachvollziehen können, welchen Beitrag er durch sein tägliches Handeln und Tun zur erfolgreichen
Umsetzung der Stadtwerke Strategie leistet.
Darum haben wir im vorigen Jahr einen Strategie-Prozess angestoßen, um diese zu operationalisieren und die strategischen Handlungsfelder Dekarbonisierung, Digitalisierung und Kunde auf die einzelnen Geschäftsbereiche
herunterzubrechen.
Wie sieht die Stadt Flensburg Ihr Engagement?
Dirk Thole:
Als städtischer Konzern folgen wir den Grundsätzen des kommunalen Konzerngedankens „in der Region – für die Region“. Bei allen Aktivitäten handeln wir gemäß den Leitlinien guter Unternehmensführung des Flensburger Kodexes.
Welche wichtigen Investitionen oder Projekte gab es für die Stadtwerke im vorigen Jahr?
Dirk Thole:
Im vergangenen Jahr haben die Stadt-werke Flensburg bedeutende Investitionen und Projekte für unser Ziel CO2-Neutralität bis 2035 umgesetzt und angestoßen.
Im August haben wir den Kessel 13 in Betrieb genommen, die zweite Gas- und Dampfturbinenanlage, die 40 Prozent weniger CO2 emittiert als die Kohlekessel, die wir im Gegenzug in die Rente geschickt haben. Ab 2028 planen wir unsere beiden GuD-Anlagen Kessel 12 und 13 in Teilen mit grünem Wasserstoff (H2) zu betreiben, wenn alle technischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen passen. Damit wären wir eines der ersten Stadtwerke in Deutschland, das den Einsatz von Wasserstoff in der Energieerzeugung konkret plant und
in die Praxis umsetzen möchte.
Dieses Jahr werden ein weiterer Elektrodenheizkessel und zweiter Wärmespeicher in Betrieb gehen. Dies sind die nächsten Schritte unseres Transformationsplans hin zur Klimaneutralität.
Der erste Spatenstich für unseren Betriebshof für emissionsfreie Busse auf dem Stadtwerke-Gelände erfolgte in 2023. Ab 2028 sollen hier bis zu 70 Linienbusse Strom, vielleicht sogar bidirektional, laden können und so für einen emissionsfreien ÖPNV sorgen.
Das Thema E-Mobilität hat für die Stadtwerke wieder mehr Fahrt aufgenommen. Anfang 2023 haben wir die öffentliche Ladeinfrastruktur wieder übernommen und in die E-Mobilität investiert. Die Ladeinfrastruktur wurde ausgebaut und optimiert. An über 30 öffentlichen Ladepunkten und einer wachsenden Anzahl an Schnellladepunkten können E-Autofahrer ihre Fahrzeuge in Flensburg aufladen. Weitere Schnellladesäulen werden folgen.
Der Wettbewerb um Kunden ist in der Energie-branche hart umkämpft. Was tun Sie, um Kunden zu halten und zu werben?
Dirk Thole:
Seit Ende Oktober sind wir wieder bundesweit aktiv, um Kunden für unser Erdgasangebot zu gewinnen. Wir sind auf den einschlägigen Vertriebs-portalen gelistet und wollen in 2024 einige tausend Erdgas-Kunden gewinnen. Auch im Strom steigen die Kundenzahlen kontinuierlich.
Auf dem Arbeitsmarkt hat sich vieles geändert oder ändert sich noch. Wie reagieren Sie darauf als Arbeitgeber?
Dirk Thole:
Auch bei uns ist der Wandel angekommen. Dabei gibt es zumindest zwei wesentliche Veränderungen, auf die wir reagieren müssen. Zum einen gehen die geburtenstarken Jahrgänge in Rente. Dadurch stehen dem Arbeitsmarkt weniger Arbeitnehmer zur Verfügung. Zum anderen hat die jüngere Generation komplett
andere Ansprüche an ihren Arbeitsgeber als eine pünktliche Gehaltszahlung und einen warmen Arbeitsplatz. Work-Life -Balance, Homeoffice, Teilzeitarbeit sind nur einige Anforderungen, denen wir uns als Arbeitgeber stellen müssen, wenn wir motivierte und kompetente neue Kolleginnen und Kollegen für uns gewinnen
wollen.
In den nächsten Jahren gehen viele unserer Mitarbeiter in den Ruhestand und die Arbeit wird nicht weniger. Wir werden darum weiter daran arbeiten, unseren Mitarbeitern ein adäquates Arbeitsumfeld zu bieten.
Welche Pläne oder Ziele verfolgen die Stadtwerke Flensburg für das aktuelle Jahr?