Interview
Im Gespräch
mit Dirk Thole, Geschäftsführer der Gesellschaft
Herr Thole: Wenn man die Entwicklung auf den Energiemärkten verfolgt, war 2022 sicher ein turbulentes Jahr für Sie als Energiedienstleister. Vor welchen Herausforderungen standen die Stadtwerke Flensburg?
Dirk Thole:
Die Herausforderungen für unsere Branche konnten kaum größer sein. Nach Corona folgte direkt der Krieg Russlands gegen die Ukraine mit weitreichenden Konsequenzen für die Energiebeschaffung. Weder Gas noch Kohle aus Russland durften und dürfen importiert werden und wurden kurzfristig zur Mangelware. Das ließ die Beschaffungskosten für Erdgas, Strom und Kohle weiter steigen. Auch die Preise für CO₂-Zertifikate bewegten sich, wie politisch gewollt, in bisher unbekannten Dimensionen. Wir haben darauf schnell reagiert und mit einem sehr engagierten bereichsübergreifenden Team unsere Beschaffungsstrategie und unser Risikomanagement an die sich ständig ändernden Rahmenbedingungen angepasst.
Für den bevorstehenden Winter mit dem befürchteten Szenario einer Gasmangellage mussten wir ebenfalls Vorsorge treffen und die Versorgungssicherheit mit Fernwärme gewährleisten. Hier wollten und mussten wir schnell agieren und nicht reagieren. In Flensburg haben wir glücklicherweise eine recht komfortable Situation: Wir können unterschiedliche Brennstoffe zur Wärmeversorgung einsetzen und haben bereits im Frühsommer 2022 damit begonnen, uns Brennstoffe zu sichern und uns mit ausreichend Steinkohle zu bevorraten. Auch wenn das aus umwelttechnischer Sicht wenig vorteilhaft erscheint, hatte die Versorgungssicherheit eine höhere Priorität.
Aufgrund der hohen Beschaffungspreise waren alle Energiedienstleister gezwungen, ihre Preise anzupassen. Auch wir haben entsprechend gehandelt, wobei wir die Kostensteigerungen auf den Beschaffungsmärkten nicht in vollem Umfang an unsere Kunden weitergegeben haben.
Auf gesetzlicher Seite wurden verschiedene Maßnahmen zum Abdämpfen der Energiekosten auf den Weg gebracht: Senkung der Mehrwertsteuer, Entfall Dezember-Abschlag und ab März 2023 rückwirkend für Januar und Februar die Preisbremsen. Das ist gut für unsere Kunden, aber für uns als Energiebranche bedeutete das einen immensen Aufwand, da wir die politischen Vorgaben in unseren IT-Systemen abbilden mussten, die sowohl bei uns als auch bei den einschlägigen Software-Anbietern dafür nicht ausgelegt sind. Sicher ist: Alle Kunden erhalten die ihnen zustehende Entlastung.
Sie haben ein gutes Ergebnis eingefahren.
Wie kommt das?
Dirk Thole:
Aufgrund einmaliger Sondereffekte im Beschaffungs- und Handelsgeschäft haben die Stadtwerke in 2022 außerordentliche Ergebnisse insbesondere aus dem Geschäft außerhalb Flensburgs erwirtschaftet.
Das Ergebnis nach Steuern liegt bei 43 Millionen Euro. Die sehr guten Ergebnisse werden wir brauchen und nutzen, um in den Fortschritt zu investieren und unsere wichtigen kaufmännischen Kennzahlen wie z. B. die Eigenkapitalquote zu verbessern.
Können Sie die Investitionen konkretisieren?
Dirk Thole:
In den nächsten 15 Jahren werden wir einen mittleren dreistelligen Millionen-Euro-Betrag investieren. Neben der Transformation der Fernwärme zur Klimaneutralität wollen wir einen neuen Betriebshof für unsere zukünftig emissionsfreien Busse bauen (rund 50 Millionen Euro), den flächendeckenden Glasfaserausbau in der Region zum Abschluss bringen (noch 30 Millionen Euro), die Digitalisierung voranbringen (zweistelliger Millionen-Euro-Betrag) sowie eine neue Stromleitung zur Anbindung an das deutsche Übertragungsnetz verlegen (i. H. v. über 40 Millionen Euro), da die Anbindung an das dänische Netz entfällt.
Wir haben viel vor in den nächsten Jahren und werden die positiven Ergebnisse brauchen und nutzen. Die geplanten Investitionen sind für uns nicht nur politisch oder gesetzlich vorgegeben, sondern auch Teil unserer Strategie für die Zukunftssicherung unserer Region.
Lassen Sie uns bitte einen Blick auf die Umstellung des Energiesystems hin zur Klimaneutralität werfen. Gibt es bereits Maßnahmen, mit denen Sie konkret planen?
Dirk Thole:
Am 01. Dezember 2022 hat die Flensburger Ratsversammlung einstimmig einen Doppelbeschluss zur Transformation der Stadtwerke zur Klimaneutralität verabschiedet. Dieser sieht vor, dass die Stadtwerke Flensburg bis zum Jahr 2035 klimaneutral werden, soweit die technischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen dies zulassen. Den finalen Transformationsplan als Basis für die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze stellen wir bis spätestens Ende dieses Jahres fertig. Grundsätzlich erfolgt die Umstellung zur Klimaneutralität in drei Phasen: 1. Kohleausstieg, 2. Elektrifizierung der Wärmeproduktion und 3. Einsatz CO₂-neutraler Energieträger.
Mit unserer neuen Gas- und Dampfturbinenanlage Kessel 13 werden wir die letzte fossilbefeuerte Erzeugungsanlage im Sommer dieses Jahres in Betrieb nehmen und werden damit 40 Prozent weniger CO₂ erzeugen als mit unseren Kohlekesseln. Das ist ein signifikanter Zwischenschritt auf dem Weg zur Klimaneutralität und wir sind gerade dabei, die Taktzahl weiter zu erhöhen. In unserem Geschäftsbereich „Anlagenbau und Projekte“ nehmen die Planungen für das nächste Klimaprojekt langsam Fahrt auf: 2025 wollen wir die erste Groß-Wärmepumpe in Betrieb nehmen und mit Flensburger Fördewasser und erneuerbarem Strom klimaneutrale Fernwärme produzieren. Der zeitliche Planungshorizont ist sicher eine große Herausforderung, aber wir wollen und werden das bis dahin realisiert haben.
Eine letzte Frage, Herr Thole: Im vorigen Jahr waren Sie als Leiter des Geschäftsbereiches „Kaufmännisches Management“ tätig und haben seit Ende März 2023 die Geschäftsführung der Stadtwerke übernommen. Welche Aufgaben liegen vor Ihnen?
Dirk Thole:
Durch mein Wirken im kaufmännischen Bereich habe ich mir einen guten Einblick ins Unternehmen verschafft und zugleich die Kolleginnen und Kollegen, Prozesse und Abläufe kennengelernt.
Mir ist wichtig, dass wir uns als Stadtwerke-Team wieder stärker auf die Operationalisierung unserer Strategie mit dem Handlungsdreieck Kunde, Dekarbonisierung und Digitalisierung fokussieren und darüber hinaus das verloren gegangene Vertrauen unserer Kunden zurückgewinnen.
Das Fundament, um alle vor uns liegenden Herausforderungen meistern zu können, ist ein starkes Team. Und das haben wir. Ich freue mich auf den gemeinsamen Weg, der vor uns liegt, um unsere Strategie „SWFL 21.x: Kurs grün und digital“ weiter konsequent fortzuschreiben.